Erstellt von Perli am 16.05.2020

Schlussakkord – Spiegelbild der Zeit / VÖ: 05.06.2020 via Rookies & Kings

In aller Welt herrscht gerade Quarantäne, doch glücklicherweise bleibt die Kreativität davon verschont. Deshalb präsentieren uns Schlussakkord, allen Beschränkungen zum Trotz, ihr erstes Album als Teil der Familie von Rookies & Kings. Die letzte Zeit war es durch den Ausfall von Christopher, dem Sänger der Band, ungewollt etwas still geworden. Letztes Jahr jedoch, nachdem er genesen war, starteten sie wieder durch und krönen diesen ungewollten Reboot jetzt mit Spiegelbild der Zeit. Wird das der nächste Schritt nach vorn sein oder wird der Ruf ihres neuen Labels, als Garant für qualitativ hochwertige Alben, in diesem Fall nicht gerecht? In den folgenden Zeilen erfahrt ihr die Antwort.

Besetzung:
Christopher - Gesang
Andreas - Gitarre
Denny - Schlagzeug
Rico - Gitarre
Seppel - Bass 


Tracklist:

  1. Intro
  2. Anti-Arschkriecher
  3. Hölle oder Heiligenschein
  4. Mit Flammen in den Augen (Part II)
  5. Wenn ihr mit uns singt
  6. Wer ich war – wer ich bin
  7. Asche _ Verderben
  8. Siehst du die Sonne
  9. Der tiefste Punkt
  10. Im Herzen frei
  11. Hebt das Glas
  12. Fahnenmeer
  13. Leben leben lassen
  14. Zeit

Den Anfang macht der Blick auf das angesprochene Bild mit einem „Intro“, welches, wie auch im Vorgänger, einen Hauch von Westernatmosphäre vermittelt. Es klingt wie der Beginn des großen Showdowns. Die Kontrahenten stehen sich zum Duell gegenüber und warten gespannt darauf, wer als erstes zieht.

Der Showdown kommt, aber statt Kugeln fliegen uns die ersten Zeilen des Openers um die Ohren:

„...Ich bin ein Querdenker, Keiltreiber, Anti-Arschkriecher,
Der der anderer Meinung ist,
Ich bin ein Besserwisser, Meinungsbildner, euer Gegenpol,
Ich bin nicht wie du bist!...“

Der erste vorab veröffentlichte Song ist auch gleichzeitig der Song, mit dem Jungs diesen Reigen eröffnen. Ohne Anlauf direkt mitten in die Fresse gibt es gleich zu Beginn die vielleicht härteste und kompromissloseste Aussage des ganzen Albums. Und mit genau dieser werden sich garantiert sehr viele identifizieren können- vor allem in diesen Zeiten. 

Das nächste Stück spiegelt quasi das Mantra unserer Szene wider: Ehrlichkeit ist das höchste Gut. Wer man ist oder wo man herkommt ist egal. Wer vertraut bekommt Vertrauen zurück, wer Mauern baut wird irgendwann selbst eingemauert. Jeder kriegt das, was er verdient und jeder hat seine eigene Wahl: „Hölle oder Heiligenschein“?

Als nächstes kommt der zweite vorab veröffentlichte Song und passenderweise zur zweiten Single ist es „Mit Flammen in den Augen (Part II)“. Thematisch sowie musikalisch steht er seinem Vorgänger in Nichts nach. Von Oben ging es wieder nach unten auf den kalten Boden der Tatsachen. Doch das ist noch lange kein Grund aufzugeben. Wie der sprichwörtliche Phönix aus der Asche kämpft man sich durch immer wieder neu aufziehende Stürme zurück nach oben. 

Wie schon der Titel von „Wenn ihr mit uns singt“ vermuten lässt, kommt anschließend eine Nummer für die wichtigsten Menschen der Band. Der Titel ist an ihre Fans gewidmet und lädt gleichzeitig dazu ein, vor der Bühne mit der Band zusammen zu eskalieren. Hier bekommt man schon allein beim Hören Lust, das Tanzbein zu schwingen und sich die Kehle wund zu schreien. Wer hier nicht in Feierlaune kommt sollte sich definitiv Sorgen machen.

Mit einem sehr  melodischen Eingangsriff geht es bunt weiter in „Wer ich war – wer ich bin“. Selbstreflektion ist hier das Stichwort. Für die eigenen Taten ist niemand Geringeres als jeder selbst verantwortlich. Vieles war gut, vieles war schlecht, doch ändern kann man es nicht. Man kann aber daraus lernen oder halt nicht. Es bleibt trotzdem jedem selbst überlassen, wie man den Weg weitergeht.

Jedes Spiegelbild hat auch irgendwo eine oder sogar mehrere Schattenseiten. Eine der größten unserer Zeit ist der ewig währende sinnlose Krieg. Und warum das Ganze? Weil die Mächtigen sich darum nicht scheren. Vor der Kamera immer breit grinsen und in den Hinterzimmern wird auf höchster Ebene gestritten. Den Preis für diesen abgehobenen Irrsinn zahlen immer die Schwachen. Für die übergroßen Egos der Mächtigen müssen die Kleinen den Kopf hinhalten und die Bomben fallen immer weiter. Der Ausweg scheint nur ein letzter großer Knall zu sein, der alles zur Hölle fahren lässt. So wird es im siebten Track „Asche _Verderben“ beschrieben. 

Akustisch und etwas ruhiger geht es weiter mit „Siehst du die Sonne“. Wie ein roter Faden zieht sich ein Thema bisher durch das Album. Es ist der Moment nach dem Fall, das Aufstehen aus der Versenkung um wieder den Kampf aufzunehmen. So auch hier: eine eindringliche Aufforderung, wieder nach der Sonne Ausschau zu halten. Wer sie sieht, sieht auch den Weg zum besseren Leben.

„Der tiefste Punkt“: ein Lied mit mehreren Möglichkeiten, es für sich zu deuten. Einmal die Stelle, an der es nicht mehr weiter nach unten geht und alle Hoffnung verloren scheint, einmal der Punkt an dem die Nadel ganz tief die Farbe in die Haut treibt oder aber der unausweichlich letzte Punkt einer Geschichte... Ein Song, der das Potential hätte, ewig laufen zu können. Es gibt noch aberwitzig viele Möglichkeiten das Ganze fortzuführen, doch an dieser Stelle ist es gut so wie es ist. Eine sehr facettenreiche und auch an einigen Stellen sehr eindringliche Nummer. Definitiv eines der Highlights dieser Platte.

Nachfolgend geht es um ein Thema, welches gerade in dieser Zeit sehr wichtig ist. Wir sind zwar eingeschlossen und von einander abgeschirmt, aber eines darf nicht in Vergessenheit geraten: wir sind alle „Im Herzen frei“! Damit das niemand vergisst, schenken uns Schlussakkord diesen Song, auch um uns wieder aufzumuntern, dies jeden Tag auf ein Neues in die Welt zu schreien.

Trotz aller Ernsthaftigkeit darf definitiv der Spaß nicht zu kurz kommen. Vor allem auch der gute (und in letzter Zeit auch oft bitter nötige) Alkoholkonsum. Streift die Sorgen ab, „Hebt das Glas“ und laßt uns gemeinsam den Moment mit der Band genießen. Endlich mal wieder ein richtig guter Partysong. Die sind bei den Jungs eher spärlich gesät und für mich persönlich deshalb umso erfreulicher.

Als nächstes kommt eine richtig dicke Überraschung auf uns zu. Man hat sich tatsächlich zusammen gerauft und uns mit „Fahnenmeer“ ein Lied über den Fußball geschenkt. Neutral und mit jeder Menge Einlagen zum Mitgrölen. In den Farben getrennt doch in der Sache vereint. Jeder kann sich mit diesem Stück identifizieren und wird es garantiert auch sofort in sein Herz schließen. Ein unerwarteter Song, der aber definitiv im Kopf bleibt.

Es gibt da diesen poetischen Vers, den viele heute nicht mehr kennen oder einfach vergessen haben: jeder ist seines Glückes Schmied. Und genau dies ist auch das Motto für den vorletzten Track. Viele Leute versuchen, das eigene Leben zu beeinflussen oder man lässt sich auch gerne mal gehen. Nichtsdestotrotz ist jeder für sein Leben allein verantwortlich. Was daraus wird hat jeder selbst in der Hand und das ist auch gut so. Deshalb sollte jeder auf seine Weise sein „Leben leben lassen“.

Zum Abschluss präsentieren uns Schlussakkord nochmal eine sehr wichtige Lektion. Es gibt eine Sache, die bei jedem Menschen gleich vergeht und auch bei allen begrenzt ist. Nichts geringeres als die „Zeit“. Jeder hat ein ganzes Leben davon, aber auch eben nur dieses Eine. Wie schon in den voraus gehenden Nummern oft genug erwähnt, haben wir alle selbst in der Hand, was wir daraus machen. Genau deswegen gibt es auch keinen Grund, still zu stehen und aus diesem bisschen, was wir davon haben, das Beste zu machen. Mit diesem letzten Denkanstoß, der ruhig und besonders eindringlich an uns herangetragen wird, geht das Album zu Ende.


Fazit:
Neue Lieder, neues Label, neues Glück? Nun, ob es Glück ist lässt sich streiten, aber von hoher Qualität ist es definitiv. Mit vollem Stolz und breiter Brust kann sich die „kleine“ Band
Schlussakkord aus dem Raum Jena in die eindrucksvolle Riege der Bands von Rookies & Kings einordnen. Mit Spiegelbild der Zeit schaffen sie meiner Meinung nach den Eintritt in die Liga der ganz großen in unserer Szene. Und mit „Anti-Arschkriecher“ liefern sie obendrein, wie ich finde, einen Anwärter für den Titel „Bestes Lied 2020“!

Alex
AGF-RADIO