Erstellt von Perli am 01.08.2022
LustfingeR – LustfingeR / VÖ 29.07.2022 via Rotz + Wasser
Härte Männer tanzen nicht ist der Name des ersten Albums. Eine Aussage, die im Laufe der Zeit an Substanz verloren hat. Und wie die Welt, die Gesellschaft und das Leben sich seit dem Erscheinungsjahr 1984 entwickelte, so entwickelte und veränderte sich auch die Band LustfingeR. Am 29. Juli 2022 erschien das 12. Album und an dieser Menge erkennt man, das muss ein wilder und spannender Ritt gewesen sein. Das neue Werk der Band bietet eine stabile Performance, lässt jedoch einige frühere Einflüsse vermissen. Entwicklung bedeutet eben auch bestimmte Dinge hinter sich zu lassen oder zeitweise auszusparen, denn nur so hat sie Qualität und ist echt.
Nichtsdestotrotz kitzelt LustfingeR mit ihrem neuen gleichnamigen Album nicht nur bei Hörern, die, die Band noch nicht kennen, auffällig die Geschmacksknospen und verursacht so ein Hungergefühl, das befriedigt werden will.
Die Welt im Jahr 1981 - Tausende demonstrieren u.a. für Frieden im Nahen Osten, der Papst und der in diesem Jahr amtierende US-Präsident werden bei einem Attentat schwer verletzt, Prinz Charles und Lady Diana geben sich das Ja-Wort... und in München und Umgebung? Was ist da los? Neben der ersten in Deutschland erfolgreich durchgeführten Herztransplantation und der deutschen Fußballmeisterschaft des FC Bayern, welchem Verein auch sonst, entscheiden sich drei junge Männer dazu, eine Band zu gründen. Es handelt sich um Tom „Foug“ Fock, Alfons „Fonse“ Goßner und Robert „Dutto“ Baier. Während der Bandentwicklung werden über 20 Mitglieder kommen und gehen, lediglich Tom bleibt als Gründungsmitglied stets erhalten und repräsentiert zeitgleich das pulsierende Herz der Band, indem er als Gitarrist, Sänger und Hauptsongschreiber Schweiß, Blut und ein großes Stück Lebenszeit investiert.
Die bestens funktionierenden Adern, die das Blut vom Herzen und zurück pumpen und somit die aktuelle Bandbesetzung sind Danny Raygun und Mike Strinxx an den Gitarren, Tom Schill am Bass, und am Schlagzeug Tommy Wagner. Eine gesamte Vorlesung, nein ein komplettes Buch könnte man wahrscheinlich über diesen spannenden und wilden Ritt, den LustfingeR ihre Bandgeschichte nennt, schreiben, allerdings wollen wir an dieser Stelle euch vorerst das neue Album näher bringen, also: auf los geht’s los. LOS!
Tracklist:
- Auf los geht´s los
- Lügen Garantie
- Benzin
- Durchs Feuer gehen
- Steh auf und tanz
- Alles ist besser
- Bonzo goes to Bitburg
- Jeder Tag
- Stürmische See
- Wir waren Träumer
- Es war ne geile Zeit
- Walk into The Fire
- Hasta La Vista
Ach herrje, was ein Zufall. Der erste Song des Albums; na, wie heißt er? Richtig, „Auf los geht’s los“. Selbstverständlich handelt es sich in diesem Fall nicht um einen lyrischen Ausrutscher, vielmehr versuche ich euch an dieser Stelle abzuholen. Genau das ist, was dieser erste Song, nach meiner Meinung, eben auch mit dem Hörer macht. Eindringlich und dynamisch und nach wenigen Sekunden beginnt mein Kopf zu nicken und mein Fuß zu wippen. Inhaltlich eine einzige Aufforderung, vielleicht auch das Album spielen zu lassen. Alles klar, wird gemacht.
Der zweite Track erklärt einen der wichtigsten Grundsätze des Punks und kehrt dabei diesen als Aussage in das Gegenteil um. „...Bla Bla Bla Bla bla, die Wahrheit sagt ihr nie. Lügen Garantie...“. Meiner Meinung nach klar an unsere Politiker gerichtet und so aktuell wie nie. Gitarren, Schlagzeug und Bass, typisch Rock, typisch Punk, von klarem Gesang ergänzt, die Botschaft wird deutlich.
Als Nächstes wird es ein wenig romantisch, so glaubt man, wenn man den ersten Zeilen lauscht. Hört man weiter und hört „...Du löschst es mit Benzin..." ist man sich dessen nicht mehr sicher. Unverkennbar rockig, zuhören macht Spaß und trotzdem fragt man sich, was nun gemeint ist. Bitte spiel den Track noch einmal, ich hab’s noch nicht ganz verstanden.
Nr. 4 im Album ist mein persönlicher Favorite-Track. An dieser Stelle werden ruhigere Klänge angestimmt. Inhaltlich wird von neuer Liebe und der belebenden Kraft erzählt, die alte Wunden heilt und schlechte Erfahrungen in den Hintergrund treten lässt. „Durchs Feuer gehen“ ist ein wunderschöner Track, der dem Album eine gewisse Tiefe gibt. Als Bonus gibt’s eine englischsprachige Version obendrauf, einfach herrlich.
„Steh auf und tanz“ eine wunderbare Einstellung, wenn man nicht weiß, wie es weiter geht und genau darum geht es in diesem Stück. Unterlegt wird es mit einer melodischen Mitmach-Melodie und zwischen dem Refrain werden alle möglichen Gründe beschrieben, um aufzustehen und zu tanzen, statt Trübsal zu blasen oder den Kopf in den Sand zu stecken oder aber auch wenn man den ganzen Mist hinter sich bringt. Diese Nummer würde ich gerne einmal Live erleben.
Unmissverständliche Gitarrenriffs begleitet von hartem Schlagzeugspiel läuten das nächste Stück ein und schon nach den ersten Sekunden als der klare Gesang einsetzt, höre ich direkt auf den Text. „Alles ist besser“ führt mir vor Augen, wie wichtig und richtig es ist, eben nicht immer mit dem Strom zu schwimmen. Riskiere etwas und du wirst sehen, es lohnt sich.
„Bonzo goes to Bitburg“ ist das erste von zwei englischsprachigen Liedern auf dem neuen Album. In der Vergangenheit hat sich bereits gezeigt, die Band ist zweisprachig unterwegs und das ist auf keinen Fall ein Fehler. Die ersten Töne erinnern an weltbekannte Road-Trip-Hits und als der Refrain einsetzt, könnte ich auch genauso gut in einem Cabrio auf der Route 66 unterwegs sein, statt in meinem Wohnzimmer zu sitzen.
Bam, da kommt der nächste Gute-Laune-Hit, diesmal mit mehr Bums dahinter. „Jeder Tag“ nennt sich das gute Stück und ich merke, wie die innerliche Euphorie steigt. In meinem Kopf höre ich noch bevor der Gesang einsetzt: Na Na Na und ich wippe mit der Melodie. Der Track erinnert den Hörer daran, dass jeder Tag nur einmal gelebt werden kann und an jedem einzelnen Tag kann etwas Wunderbares passieren und tut es das nicht, ist auch ein solcher Tag einzigartig, denn nur so kann man die guten Momente schätzen lernen.
Ein Schiff auf hoher See mit schlechtem Kapitän, so hat sich schon mancher in einigen Lebenssituationen gefühlt, die vermeintlich als Abenteuer begannen. Der nächste Track „Stürmische See“ erzählt eine Geschichte, die wohl fast jeder Hörer inklusive mir nachempfinden kann. Das Schlagzeug bretthart im Vordergrund, die Gitarren begleiten kontinuierlich und bestimmt und der exakte Gesang rundet die Nummer ab.
„Wir waren Träumer“ schlägt kurz vor dem Ende des Albums noch einmal ruhigere Töne an. Der Song beschreibt auf melancholische Weise, wie sich der Moment des Aufwachens, nach langem, viel zu langem Schlaf anfühlt. Wer zwischen den Zeilen liest, erkennt eine Aufforderung zur Eigenständigkeit und zur Selbstbestimmtheit. An dieser Stelle stehen starke Gitarrenriffs im Fokus und die restlichen Instrumente umfassen deren Klangfolge und verriegeln sie in einer vereinten Vielfalt.
„Es war ne geile Zeit“ beschreibt die besten Momente der Bandgeschichte und LustfingeR verspricht uns: „und die ist noch nicht vorbei“. In diesem Song wird die Erfahrung der Band deutlich und beim Hören wird die Liebe zur Musik unverkennbar. Vor allem der gesangliche Sound von Tom Fock brettert umfangreiche Emotionen durch das Mikrofon, ich möchte eine Zeitmaschine erfinden und den Ritt miterleben.
Der letzte Abschiedsgruß „Hasta La Vista“, den „einen hauen wir noch raus“. Ein Song mit Gassenhauer-Potenzial und Pogo-Garantie. Das Dankeschön an Fans und Zuhörer und gleichzeitig die Verabschiedung an dieser Stelle.
Fazit:
Das 12. Album ist ein kleines Wunderpaket und obwohl ich zuerst skeptisch bin, holen die Lieder mich vollständig ab und ziehen mich in Ihren Bann, aus dem es fast kein Entkommen gibt. Natürlich, Punkrock in Reinform, falls das überhaupt bestimmbar ist, ist es nicht, aber das Album macht absolut Laune und gehört definitiv in jede Gute Rock-Hits-Liste. Nach dem gefühlt hundertsten Durchlauf auf voller Lautstärke kann ich einige Lieder bereits mitsingen und an dieser Stelle werde ich neugierig und suche nach früheren Alben, werde fündig und bin nun endgültig Fan dieser Nummer.
Für das AGF- RADIO
Julez