Erstellt von Perli am 16.09.2022

Rock am Forst Vol. 3 @ KGV am Forst in Viernheim / 10.09.2022

Zwischen sittsamen Gartenzwergen und romantischen Blumenbeeten hat am vergangenen Samstag der Kleingartenverein Am Forst nunmehr zum dritten Mal zu süffigem Bier, schmackhafter Hausmannskost und zu einer außergewöhnlichen Feier eingeladen. Rock am Forst Vol. 3 wurde diese kleine, aber sehr feine Veranstaltung getauft und sie bringt mehr zum Vorschein als man zunächst erahnen mag.

Es ist ein verregneter Tag und die Vorhersage verspricht keine Besserung, aber ist das ein Grund nicht zu erscheinen? AUF GAR KEINEN FALL! Schon das norwegische Sprichwort: „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“, zeigt, dass Witterungen unbedeutend sind, wenn die Deutschrockmusik ihre Hörer zusammenbringt. Chucks sind an diesem Abend für mich persönlich also die falsche Wahl und so kommen die bereits mehrfach erprobten Martens zum Einsatz.

Am äußersten Waldrand, neben einem Landschaftsschutzgebiet, befindet sich eine fast schon unscheinbare Parzelle, aus der schon vor dem Einlass Gelächter und Musik zu hören ist. Würden die Schilder nicht den Weg weisen, würde man glatt daran vorbeigehen. Angekommen befinden sich auf der linken Seite die Merchstände, auf der rechten Seite, Einlass und Verpflegung, ein Stück weiter die Kasse, vorne links die Bühne und die Bar, und hinten rechts die Toiletten. Herrlich überschaubar, verlaufen ist also unmöglich. Das ist mal eine Veranstaltung der kurzen Wege.

Also, los geht’s! Geld durch Marken ersetzen und auf zur Bar. Die Preise sind, wie sie sein sollen, bezahlbar und fair. Die ersten Besucher entern pünktlich um 17:00 Uhr die Location, denn früh da sein lohnt sich. An den Merchständen sitzen schon einige der Bandmitglieder der heutigen Acts. Eine kleine Plauderei hier, ein paar Einkäufe da und schon vergisst der ein oder andere schon fast, dass die Jungs und Mädels schon bald auf der Bühne stehen werden.

Die Bühne befindet sich am Ende eines langen Zeltes und der Weg dorthin ist schon früh gesäumt von Deutschrockfans. Der immer wieder einsetzende Regen ist irrelevant, denn unter dem Zelt zählt nur die Musik und von dem Regen ist nichts zu merken.


Pünktlich um 18:00 Uhr beginnen Goethes Jungs mit ihrem Auftritt und legen den Grundstein für einen gelungenen Abend. Jens von Leidbild unterstützt die Band als Gastbassist. Den Auftakt macht, nach dem Intro, der Song Goethes Jungs“, der den Besuchern Deutschrock in Reinform um die Ohren haut. Gnadenlose Gitarrenriffs, ein herber Bass, grollendes Schlagzeugspiel und eine abgefuckte, rau kalkige Stimme begleiten die Besucher durch den Gig. Die Lieder „Hoch das Glas“ und „Handmännchen“ bilden den Abschluss und entlassen die Hörer aufgeheizt in den restlichen Abend.

Die nächste Band heißt Gegenwind. Der Umbau wird von den Bands selbst erledigt und jeder packt mit an. Die Mitglieder stimmen die letzten Eckpunkte untereinander ab und dann geht’s los. Drei harte Schläge des Schlagzeugers auf die Becken; ungebremst und mit Bleifuß rasen die Besucher auf dem Rücksitz der Band in den Auftritt. „Spiritus“, „Brücken“, Lieb mich, hass´ mich, es wird deutlich, weshalb die Band bei dem Contest der G.O.N.D. im Jahr 2019 den zweiten Platz belegte und die Spielzeit im gleichen Jahr eröffnete. Die Gitarren, der Bass und das Schlagzeug, mit dem Gesang im abgestimmten Einklang. Der Schlagzeuger gibt das Tempo vor und geht richtig ab, die anderen tun es ihm gleich und während die Temperatur außerhalb des Zeltes sinkt, steigt und steigt sie vor der Bühne und im Zelt, und macht die Zuhörer richtig heiß auf mehr. Die Zugabe „Apfelwein“ entzündet endgültig den glimmenden Funken und das Feuer breitet sich in der Menge aus und ist fast nicht zu bändigen.

Nach einer weiteren kleinen Umbaupause kann die nächste Band nahtlos anknüpfen. Brennstoff schürt das Feuer der Vorgänger, entflammt ihre eigene Deutschrockfackel und wirft sie impulsiv ins Publikum. Hart und erbarmungslos, unverzeihlich und ausdrucksstark brettert der Sound durch die Boxen. „Inferno“, „Unverändert“ und „Saargebiet“, von Lied zu Lied wird es heißer in diesem Zelt. Bester Beweis: Sänger Thomas steht dampfend auf der Bühne, sein Kopf gleicht einem kochenden Teekessel. Immer weiter ziehen sie das Publikum in ihren Bann und füllen das Zelt mit klaren, großzügigen Emotionen und brutal drückendem Deutschrock, bis nicht ein Blatt Papier noch dazwischen passt. Während des Auftritts traut sich ein kleines zehnjähriges Mädchen, gemeinsam mit ihrem Vater, an die Absperrung. Dieser Mut wird vom Sänger durch Interaktion mit dem Publikum belohnt und das kleine Mädchen erntet Applaus. Den Abschluss bildet der Song „König von Deutschland“ und zerreißt dabei fast die Zeltwände.

Fräulein (fucking) Tonspur betritt als nächstes die Bühne. Feurig intensive Gitarrenriffs und ein temperamentvolles Schlagzeugspiel eröffnen mit „Stur geradeaus“ den Auftritt. Die Band saugt die Energie des bisherigen Abends vollständig in sich auf, packt ihre eigene maßlose Leidenschaft obendrauf und regiert dadurch die Bühne wie Könige der Nacht. Die mittlerweile zu Evergreens gewachsenen Songs „Eskalieren“, „Immer Vollgas“ und allen voran „Misanthrop“ lassen das Publikum vollständig überschnappen. Auch diese Band interagiert mit dem Publikum auf eine einzigartige Weise, die Freude bringt und einfach einen Mordsspaß macht. Die Absperrung trennt zwar die Band vom Publikum, aber vorhanden ist sie an diesem Abend nur physisch. Sämtliche Menschen vor der Bühne stehen im Geiste schon längst auf der Bühne und reißen sie gemeinsam mit der Band nieder. Der Abschluss des Auftritts gehört „Olga“ und als die Band die Bühne verlässt, steht sie und das Zelt in lodernden Flammen.

Die Band Böhse Neffen eröffnet das Finale und denkt nicht dran das züngelnde Feuer zu löschen; lasst es brennen und gebt noch einmal richtig Vollgas. Nun brechen restlos alle noch übrigen Dämme und es gibt kein Halten mehr. Die Neffen machen dem Original alle Ehre und haben teilweise Schwierigkeiten das Publikum zu übertönen, eben der beste Chor der Welt. „Bomberpilot“, „Dick & Durstig“ oder „Danke für nichts“, Lieder, die mittlerweile viel zu selten bzw. gar nicht mehr vom Original gespielt werden, begeistern die Menge und sorgen für einen herausragenden Auftritt. Der Abend neigt sich dem Ende und niemand will gehen, doch soll man bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist. Die Band hat Schwierigkeiten, den Auftritt abzuschließen, weil die Menge nicht genug kriegen kann. Doch schlussendlich verlassen die Neffen die Bühne und der Abend ist vorbei.


Fazit

Nur auf Veranstaltungen wie diesen kann das Publikum den Künstlern so nah sein und die Künstler dem Publikum. Rock am Forst ist eine Veranstaltungsreihe, die von Kai Lieser und seinem Team mit viel Liebe und Leidenschaft zur Musik auf die Beine gestellt wird. Für mich ist die Tatsache, dass der Veranstaltungsort meine Heimatstadt Viernheim ist, die persönliche kleine Kirsche auf dem Sahnehäubchen dieses voluminösen Eisbechers. Auch wenn ich nicht mehr dort wohne, lohnt sich jedes Jahr, jeder einzelne Kilometer und allem Anschein nach, sehe nicht nur ich das so, denn einige Schweizer haben Rock am Forst auch schon für sich entdeckt. Eine klare Empfehlung für ganz Deutschland, die Schweiz und seine Deutschrockfans.

Julez
AGF- RADIO