Erstellt von Julez am 21.09.2022
Krawallbrüder @ Turbinenhalle Oberhausen am 17.09.2022
Zwischen üppigen Metallpfosten und eingeschlossen von schwermütigem Ruhrpott-Charme war der Samstagabend, ein Abend im Zeichen der Brüder und ein Abend im Zeichen der Oi-Musik, der eine Überraschung bereithielt.
Und wieder geht es los durch Deutschland, diesmal nach Oberhausen zu Krawallbrüder und deren Support-Bands. Ein weiteres Mal würde der Kilometerstand des Autos um mehrere hundert Kilometer ansteigen und den Inspektionstermin näher rücken lassen als ursprünglich geplant. Ob sich eine Fahrt lohnt, die länger dauert als die eigentliche Veranstaltung? Viele von euch werden diese Frage schon mehrere Male beantwortet haben und am Ende sind sich die meisten einig, es lohnt sich. So auch dieses Mal.
Der Boden vibriert, die Wände wackeln und der Sound hüllt die Turbinenhalle Nr. 2 bis zur Decke in Oi-Punk ein. Restrisiko eröffnen die Show. Und während sich die Halle füllt und füllt, beginnen die ersten zu tanzen. „Prost Freunde“ und „Goldene Jahre“ bugsieren die ankommenden Besucher mitten ins Geschehen, einige schließen sich den Tanzenden an, andere bleiben stehen und genießen die Musik. Als die Band „Because Your´re Young“ im Original von Cock Sparrer, zu spielen beginnt, betritt Tim Steinfort die Bühne und vereinzelt beginnen Augen zu funkeln.
Konsequent harter Bass, Gitarrenriffs, die die Saiten zum Glühen bringen und ein Schlagzeugspiel, dass die Drumsticks nicht lange heil lässt. „Durch dick und dünn“ knallt volle Kanne. Der Sänger ist von Kopf bis Fuß in seinem Element und nimmt die Bühne bis zum letzten Quadratzentimeter ein. „Tanz mit dem Teufel“ ist für heute der letzte Song und bildet den Abschluss dieses gelungenen ersten Auftritts.
Martens Army ist als Nächstes dran. Der Sänger und Gitarrist Christian Stöbe feilt und feilt, zusammen mit der Tontechnik im Hintergrund, an dem Sound, er ist eben ein Perfektionist. Es dauert einige angerissene Lieder, bis er zufrieden ist, aber dann geht es völlig unverhofft und überraschend los. „Wir treten wieder zu“ lässt schon zu Beginn den ersten Moshpit vor der Bühne entstehen. Der gesamte Auftritt ist geprägt von Leidenschaft und Energie, die von der Bühne auf das Publikum übergreift. Von Lied zu Lied weitet sich der Pogokreis aus. Tanzende fliegen durch das Innere, stürzen zu Boden und werden von der Menge wiederaufgerichtet. Der Auftritt nähert sich seinem Ende, „Wir scheißen auf oire Lügen“ und „Kinder der Wende“ schürt noch einmal den Drang, sich dem Pogen voll und ganz hinzugeben. Das letzte Lied „Der letzte Staufer“ bricht jegliche Hemmungen des Publikums und bringt die Menge mächtig ins Schwitzen.
Nach Ende dieses erfolgreichen Auftritts beginnt die Luft zu knistern und die zuvor nur geflüsterten Gerüchte wachsen zu lauten Spekulationen und bevor sich die Menge einig werden kann, betreten sie die Bühne. ÜBERRASCHUNG! Haymaker. Ohne große Vorankündigung beginnen sie ihren Auftritt ritualisiert mit „We are Haymaker“, die Menge stimmt mit ein „Who the fuck are you?“, ein Gänsehautmoment. Die derbe Mischung aus Hardcore und Punk, die die Band ausmacht, lässt die Menge zu einer feierwütigen Meute mutieren. Der Pogokreis wächst rasant und vertreibt die tanzunwilligen nach außen, ein riesiges Gewusel und eine einzige geile Party. „First to Die“, „Skinhead“ und einer meiner persönlichen Favoriten „Hold on to your dreams“ folgen. Ehe man sich's versieht, ist der Auftritt vorbei und die Überraschung vollends gelungen.
Was soll da noch kommen? Wie kann man an dieser Stelle die Spaßkurve noch steigern? Richtig! Was für eine Frage, mit dem eigentlichen Hauptact. Krawallbrüder. Aber zunächst eine kleine Verschnaufpause. Bier holen, rauchen, Pippi machen.
Der Raum wird in rotes Licht getaucht, das Intro beginnt und los geht’s. „Unbeugsam“ lässt die feierwütige Menge gründlich ausrasten und holt jeden einzelnen zurück aus der kurzen Pause. Die Band ist fest entschlossen, ihren Auftritt zum Sahnehäubchen dieses Abends zu machen und die Fans nicht zu entlassen, bevor nicht mindestens die Hälfte keine Stimme mehr hat. „Zweite Heimat“, „So wahr mir Gott“ und „Auf uns“ sind nur einige der Lieder, die durch lautstarkes mitgrölen für Stimmverlust und teilweise sogar Halsschmerzen sorgen. Fokussiert und gut aufeinander abgestimmt verschmilzt die Band zu einer Einheit und entwickelt eine gemeinsame Dynamik, die einzigartig scheint. „Wenn du gehst“ bildet den zwischenzeitlichen Höhepunkt und gibt sich die Klinge mit weiteren Songs wie „Uns´re Lieder – Euer Halt“ oder „Blut und Tinte“ in die Hand. Die Band verlässt die Bühne und die Fans lechzen nach mehr. Nach einer kleinen spannungsgeladenen Pause, in der sich skandierte Ausrufe wie „Krawall-, Krawall-, Krawallbrüder“ und „Zugabe“ abwechseln, betreten Pascal, Flo, Thomas und Swen wieder die Bühne. Nun folgt als ultimativer Abschluss der für mich persönlich schönste Teil eines jeden Krawallbrüder-Auftritts. „Einer der letzten“ verabschiedet das Publikum mit Gänsehaut in die Nacht. Mit lautem Chorgesang zum Refrain und anhaltendem Applaus dankt das Publikum der Band. Das Licht auf der Bühne erlischt, der Auftritt ist vorbei.
28 Onkelz Cover runden den Abend ab und lassen den Besuchern noch genügend Zeit um zu feiern, zu trinken und zu genießen. Die feierbarsten Songs des Originals werden solide performed und die Menge hat sichtlich Spaß. Nach Mitternacht ist der Abend endgültig zu Ende und die Fans machen sich müde aber glücklich auf den Heimweg.
Fazit:
Abende mit den Brüdern haben ihre ganz eigene Anziehungskraft, denn sie sind chaotisch, wild, einen Hauch brutal und unerklärlich amüsant. Dahinter werkelt ein gut funktionierender Organisationsapparat, der zwar nicht alles aber einiges hervorragend auf die Beine stellt und neben den Künstlern für einen gelungenen Abend sorgt. Für mich persönlich war es erst der dritte Abend mit ihnen und obwohl ich es nie für möglich gehalten hätte, bin ich begeistert und freue mich auf die nächste Nummer zum Jahresabschluss.
Für das AGF-RADIO
Julez