Erstellt von Perli am 18.11.2024
Verfolgungswahn – Make Oi! Punk rebellious again / VÖ: 08.11.2024 in Eigenregie
Lange Zeit war es ruhig um die Jungs aus Pößneck, sie spielten nur eine Handvoll Konzerte im Jahr und auch sonst war nicht viel los. Doch dann gab es große Wellen um die Band, da sie einen ganz speziellen Wettbewerb mit einem natürlich auch ganz besonderen Song gewonnen und damit ein ziemliches Ausrufezeichen gesetzt haben. Dieser Song ist auch auf dem neuen Album, dessen Name schon verspricht, eine Kampfansage zu sein.
In so wechselhaften Zeiten wie den Jetzigen wollen Verfolgungswahn den Oi!Punk wieder rebellisch machen. Was es damit auf sich hat und ob es geklappt hat, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.
Besetzung:
Kalle – Gesang
Tino – Leadgitarre
Moe – Schlagzeug
Fritten – Bass/Gesang
David – Rhythmusgitarre
Tracklist:
Dritter Streich
Ich
Oire Szene
Bratwurstsong
Alkoholiker
United
Saufen im Alter
N-Bombe
Schafe
Ihr seid keine Szene
Letzte Gang der Stadt
Vfw grüßt Elbflorenz
Gleich beim Start gibt es die erste richtig fette Überraschung. Im ersten Moment dachte ich, ich hätte das falsche Album angemacht und wäre bei Motörhead gelandet. Doch wenn der Gesang einsetzt merkt man, dass man doch richtig ist und die Jungs beim Sound an einigen Stellschrauben ordentlich gedreht haben, um uns einen Sound zu kredenzen, der einigen gestandenen Metalbands alle Ehre macht. Mit „Dritter Streich“ melden sie sich nicht nur musikalisch zurück sondern setzen auch ein erstes richtig fettes Ausrufezeichen. Das macht Bock auf mehr!
Etwas ruhiger im Intro aber genauso krachend kommen wir gleich im zweiten Song zu einem kleinen Blick zurück. Vergangene Entscheidungen und Taten lassen sich ja bekanntlich nicht mehr rückgängig machen. Deshalb kann man sich diesen Song als Beispiel nehmen, um den Umgang mit sich selbst und den anderen zu pflegen. Das „Ich“ ist wie es ist, deswegen komm damit klar oder lass es sein.
Weiter geht es mit einem ausgestreckten Mittelfinger an die Szenepolizei. Selbst ich als nicht in der Szene verwurzelter bekomme teilweise mit, was von gewissen Individuen fabriziert wird und bin davon einfach nur angenervt. Deshalb kann ich mich hier der Band in vollen Zügen anschließen. Verpisst euch zurück in „Oire Szene“! Ihr geht uns am Arsch vorbei.
Kommen wir nun zu dem in der Einleitung erwähnten Song, der sogar prämiert wurde. Das Thüringer Bratwurstmuseum rief einen Wettbewerb aus, wer den besten Song über die Rostbratwurst machen könnte. Ja diesen Contest gab es wirklich und es gab sogar äußerst prominente Teilnehmer dabei: niemand geringeres als TV Total Moderator Sebastian Puffpaff war u.a. mit angetreten, um sich den Pokal zu holen. Das konnten und wollten die Jungs von Verfolgungswahn aber nicht passieren lassen und so traten auch sie mit an. Ob nun geplant oder nicht, sei dahin gestellt. Aber tatsächlich gewannen sie mit ihrem „Bratwurstsong“ den Wettbewerb und sorgten so für ein kleines Beben im Thüringer Raum. Die kleine Band aus Pößneck zog aus, um den Pokal im Bratwurstmuseum zu gewinnen. Wenn das nicht der Stoff für gute Geschichten am Stammtisch ist, dann weiß ich es auch nicht. Wer den Song hört kann auch verstehen, warum er gewonnen hat. Eingängig und mit jeder Menge witziger Formulierungen ist diese Gute-Laune-Nummer ein Garant für Stimmung auf jeder Fete.
Vom Spaß kommen wir zurück auf den Boden der Tatsachen. Der Großteil von uns (ich zähle mich da natürlich auch mit dazu) trinkt in geselliger Runde oder auf Partys gern mal Alkohol. Das ist nicht verwerflich und in Maßen auch in Ordnung. Wer das mit dem in Maßen allerdings nicht (wieder) in den Griff bekommt, könnte so enden wie in diesem Song. Lasst euch von dem treibenden Sound nicht täuschen. Das Thema hier ist bitterernst und ich würde mal vermuten, dass keiner von uns Bock hat als „Alkoholiker“ zu enden.
Back to the roots könnte man als Motto für diesen Song nehmen. Wie schon im dritten Track angesprochen wird in der Szene sehr viel gespalten und Schindluder getrieben. Da kommt ganz schnell die Frage auf, was man gegen diese Zustände unternehmen kann. Die Antwort liefern uns die Jungs und sie ist denkbar simpel: einfach mal „United“ sein und Seite an Seite stehen.
Wieder zurück zum Thema Alkohol... Aber dieses mal auf eine spaßige Weise. Ich kann mich da leider mittlerweile auch identifizieren, denn beim Thema „Saufen im Alter“ bin ich leider auch angekommen. Was das für Auswirkungen hat, könnt ihr euch ganz unumwunden in diesem Song erzählen lassen. Leider ganz stark aus dem Leben gegriffen muss ich da sagen.
Weiter geht es mit einem Titel, der leider ebenfalls sehr stark aus dem Leben gegriffen ist - allerdings dieses Mal auf eine böse Art und Weise. Wer heutzutage nicht den politisch korrekten Weg geht und wie alle braven Schafe dem Strom folgt, wird sofort als Nazi bezeichnet. Diskurs gibt es nicht mehr und andere Meinungen werden rigoros mit der „N-Bombe“ abgeschmettert . Hier bietet uns die Band einen weiteren musikalisch ausgestreckten Mittelfinger, allerdings geht dieser hier an die verkommene Gesellschaft.
Der nachfolgende Songs „Schafe“ erklärt kurz und knackig wie eben genau diese heute funktionieren. In einem englischsprachigen Refrain wird allerdings auch ein Ausweg dazu geboten. Auf Konzerten wird diese Nummer definitiv für Wirbel auf der Tanzfläche sorgen, er lädt gerade im Refrain förmlich ein, zu eskalieren.
Da die Mittelfinger auf dieser Platte gerade am Fliegen sind kommt anschließend auch schon der nächste geflogen. Und hier kommt so das erste Mal der Punkt, wo ich mich frage, warum ich das hier überhaupt schreibe. Denn „Ihr seid keine Szene“ richtet sich gegen uns, den Deutschrock. Aber Anfeindungen aus der Richtung ist man ja bei uns auch schon gewohnt. Witzigerweise spielen die Bands allerdings auch oft und gerne auf Festivals dieser „Nichtszene“ oder mit Bands von eben dieser zusammen. Von daher kann ich da mit einem Lächeln darüber hinwegsehen. Und wenn man so hört, was in den vorhergehenden Songs mit angesprochen wurde, habt ihr bei euch auch noch genug zu tun. Daher passt auch die alte Weisheit, die meine Mutti mir immer eingeprägt hat: Kehrt erst einmal vor eurer Türe!
Der vorletzte Song auf der Platte klingt dann auch wieder ein bisschen wie gewohnt nach gutem alten Oi! Punk. Die Meckerei über alles andere ist an dieser Stelle vorbei und man widmet sich dem jetzigen Sein. Sie sind die „Letzte Gang der Stadt“ und der Name ist Programm. Wenn die Jungs unterwegs sind, bleibt kein Stein auf dem anderen und keine Kneipe bleibt verschont. Den Seitenhieb in diesem Lied überhöre ich mal gekonnt.
Als letztes folgt ein kleiner musikalischer Gruß. „Vfw grüßt Elbflorenz“ ist ein witziger Schlusspunkt, der beim zuhören für sehr viel Gelächter sorgen wird. Als allerletztes gibt es dann auch noch den neuen Schlachtruf für die Jungs, mit dem ich auch an dieser Stelle den Ausflug in diese Platte beenden möchte.
"Wir sind ein Bratwurstband - Schalalalala
Wir sind eine Bratwurstband - Schaaalalalaaaa"
Fazit:
Haben Verfolgungswahn den Oi!Punk wieder rebellisch gemacht? Ob da eine Platte reicht, um das Ganze wieder in die richtige Richtung zu bewegen, wage ich zu bezweifeln. Aber sie beehren uns dennoch mit einem Album, welches sich definitiv sehen lassen kann.
Von Anfang bis zum Ende geht es immer nur mit Vollgas voran und es gibt keine wirkliche Verschnaufpause. Ein Album ganz nach meinem Geschmack - bis auf den Seitenhieb in zwei Songs, aber da sehe ich mal drüber hinweg.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Musiker das auch so auf die Bühne bringt. Aber nach dem Pokalgewinn im Bratwurstmuseum sollte das für die Band auch machbar sein.
Alex
AGF- RADIO