Erstellt von Perli am 28.05.2019
Rammstein – Rammstein / VÖ: 17.05.2019 via Universal Music
Das lange Warten hat ein Ende. Zehn Jahre nach Liebe ist für alle da kommen Rammstein nun endlich aus ihrer kreativen Pause zurück. Wie auch die Band, so heißt das neue Album schlicht und einfach Rammstein und beinhaltet wie bei allen Vorgängern genau elf Songs. Bereits mit den beiden vorab erschienen Songs wurde klar, dass in der Zeit einiges passiert ist. Mit der Zeit kommt auch Veränderung und es ist klar, dass eine Band nach all den Jahren nicht mehr den gleichen Sound bringen kann wie früher. Doch die wichtigste Frage muss trotzdem noch beantwortet werden: es steht Rammstein drauf, aber steckt auch Rammstein drin? Die Antwort erhaltet ihr in den nachfolgenden Zeilen.
Besetzung:
Christoph Schneider (Drums)
Oliver Riedel (Bass Guitar)
Richard Z. Kruspe (Guitar)
Flake Lorenz (Keyboards)
Till Lindemann (Singer)
Paul Landers (Guitar)
Tracklist:
- Deutschland
- Radio
- Zeig dich
- Ausländer
- Sex
- Puppe
- Was ich liebe
- Diamant
- Weit weg
- Tattoo
- Hallomann
Über die beiden ersten Songs spare ich mir an dieser Stelle ellenlange Ausführungen, denn „Deutschland“ und „Radio“ wurden beide vorab jeweils mit einem hervorragenden Musikvideo veröffentlicht. Wobei ich sagen muss, dass das Video zu „Deutschland“ eher einem Film entspricht, der um das Lied herum gedreht wurde. So oder so ist es meiner Meinung nach das beste Video von allen und war auch zugleich eine würdige Rückmeldung aus der Pause. Wobei das Gesamtpaket dieses Songs auch einfach perfekt in diese Zeit passt. Vor allem rein textlich ist dieses Lied der Finger in einer der vielen Wunden, welche dieses Land gerade hat. „Radio“ hingegen ist ein Track, mit dem ich am wenigsten gerechnet hätte. Es ist die Geschichte, über die unterdrückte Meinungs- bzw. Kunstfreiheit wie sie früher in der DDR ausgelebt wurde. Musikalisch ist es auf jeden Fall der Sound von Rammstein, jedoch hätte ich von ihnen rein vom Text her niemals mit so einem Lied gerechnet. Es war auf jeden Fall eine dicke Überraschung.
Weiter geht es mit etwas Neuem. Der Song „Zeig dich“ wird durch einen Chor eingeleitet, der zusammen mit dem einsetzenden Riff einen sehr epischen Eindruck macht. Und genauso episch ist auch der Inhalt des Textes: es gibt da diese Institution, früher von allen geliebt und gebraucht, doch heute kaum noch beachtet und verhöhnt wegen zu vieler selbst herauf beschworener Skandale. Es geht um die Kirche und ihre bis heute verzweifelte Suche nach einem Gott.
Fast schon wie bei einem Discohit geht es beim nachfolgenden Song los, dessen Name allein schon in manchen Kreisen für Kontroversen sorgen könnte. „Ausländer“ ist aber alles andere als die Bekenntnis oder Absage an irgendeine Nationalität, hier steht vielmehr etwas ganz anderes im Mittelpunkt. Es geht um den klassischen Gigolo, um den einfachen Frauenheld, der keiner Lady widerstehen kann, und alles dafür tut um mit ihr ein paar schöne Stunden in der Nacht zu verbringen. Bevor der Morgen graut ist er aber auch schon wieder verschwunden. Weiter auf seiner Suche nach dem nächsten Ort, an dem er der Exot sein und die nächste Frau für eine weitere Nacht finden kann. Musikalisch ist die Nummer mehr auf seine elektronisch melodische Art bedacht als auf rohe E- Gitarrenriffs. Dies macht den Song fast schon zu einem bereits erwähnten Discohit, der problemlos auf einem Elektrofestival laufen könnte.
Trügerisch ruhig geht es im darauffolgenden Song los. Doch das sind nur die ersten Sekunden bis das düstere Gitarrenriff einsetzt und man gleich wieder hinunter in die dunklen Sphären gezogen wird. Aber das war nur der Anfang, denn in den ersten Zeilen des Textes wird man gleich wieder so richtig vor den Kopf gestoßen. Wie der Titel besagt handelt es hier schlicht und einfach um „Sex“. Doch nicht um den ganz klassischen Akt wie er in tausenden anderen Songs behandelt wird. Mit diesem Text haben es die Musiker geschafft, den Ekel von manchen Sachen und die doch dabei herum kommende Freude während des Aktes, sowie die Gefühle der Liebe so miteinander zu verbinden, dass fast schon eine krankhaft grandiose Mischung dabei heraus kommt. Typisch Rammstein halt.
Trügerisch ist auch das Stichwort zum nächsten Lied. Zu Beginn hört man nur ein relativ ruhiges Gitarrensolo, auf welches Till dann sehr melodisch mit seinem Gesang einsteigt. Er erzählt hier die Geschichte eines Wesens, vermutlich ein Kind, welches von seiner Schwester immer in seinem Zimmer eingeschlossen wird, jedoch nicht ganz allein. Die Schwester schenkte ihm eine „Puppe“. Sie selbst arbeitet im Zimmer nebenan, es gehen Männer ein und aus und manchmal hört man sie schreien. Noch ist alles sehr melodisch und ruhig, doch dann kommt der Punkt an dem der Wahnsinn die Oberhand gewinnt. Auf dem Höhepunkt des Songs wird der Wahn an der Puppe ausgelassen und auch die Schwester nebenan wird malträtiert. Genauso verstörend wie er bisher war, geht der Song auch zu Ende. Am Schluss läuft er mit einer letzten, ziemlich verstört anmutenden, Klaviereinlage aus. Im Großen und Ganzen ein 4:33 Minuten langes Stück über einen Wahnsinn, der nicht besser in Ton gefasst sein könnte.
„Was ich liebe“ ist ein weiteres Beispiel für die besonders kreative Art und Weise mit einem Lied eine eigentlich sehr traurige Geschichte zu erzählen. Denn in diesem anfangs sehr ruhigen Song erzählt geht es um ein Individuum, welches mit seiner Liebe allem anderen nur schadet. Die schonungslose Konsequenz daraus wird dann im, wieder gewohnt harten, Refrain erklärt. Alles, was es liebt, wird vergehen und sterben. Also ist es schlussendlich dann doch besser, gar nicht zu lieben und keine Freude zu empfinden.
An achter Stelle kommt ein wirklich ruhiger Song, eine waschechte Ballade. Es ist die Erzählung über ein Wesen, welches so wunderschön ist wie ein „Diamant“. Man kann seinen Blick nicht abwenden und alles andere drumherum verschwimmt ins Nichts. Aber irgendwann kommt halt die bittere Erkenntnis, dass nicht immer alles so schön ist, wie es scheint. Denn auch ein Diamant ist am Ende nichts weiter als nur ein Stein.
Im Intro des folgenden Songs schwappt ein bisschen Technomusik Flair aus den 90-er rüber. Ein relativ langsames Elektrostück, auf welches das Gitarrenriff einsteigt. Inhaltlich geht es, um es einfach mal so salopp zu formulieren, um einen Spanner, der jede Nacht durch das Fenster zum Objekt seiner Begierde hinüber schaut und sich nichts sehnlicher wünscht, als dass sie endlich ihm gehöre. Er sieht sie jeden Tag so nah vor sich, doch trotzdem bleibt sie für ihn unerreichbar „Weit weg“.
Im vorletzten Song wird man fast schon nostalgisch, denn hier werden die Elektroelemente etwas nach hinten geschoben, damit wieder die E-Gitarren in den Vordergrund treten können. Es klingt somit fast schon wie einer ihrer Klassiker, nur in einem etwas aktuellerem Soundgewand. Der Text ist auch hier wieder eine absolute Überraschung für mich. Es ist Rammsteins eigener Song für die Tätowierten. Es ist eine Hommage einer Band an die Kunst der bunten Haut, der ich ein solches Lied niemals zugetraut hätte. Umso glücklicher bin ich, dass sie es doch getan und dazu auch noch absolut grandios umgesetzt haben.
Noch einmal düster wird es im letzten Song. Es wird ein verstörendes Bild gemalt von einem Wesen, welches kleine Mädchen zu sich lockt, damit sie für ihn singen und andere erheiternde Sachen machen. Alles nur, damit irgendwann der „Hallomann“ zu ihnen kommt. Worum es sich dabei genau handelt, wird nicht offenbart und bleibt somit nur unserer eigenen Fantasie überlassen. Mit diesen Gedanken und obendrein dem beinah schon grausig anmutenden Schluss dieses Liedes endet das Album.
Fazit:
Um die Frage vom Anfang zu klären: Steckt auch wirklich Rammstein drin? Ganz eindeutig JA! Hat sich die Band in den vergangenen zehn Jahren verändert? Auch wieder ja, aber keinesfalls zum Schlechteren. Sie haben mit der Zeit ihren Stil eine Kleinigkeit geändert, was ihnen aber auch in keinster Weise geschadet hat. Mit Rammstein melden sich mit einem weiteren absolut starken Album zurück. Von mir gibt es eine ganz klare Kaufempfehlung! Die Band hat es nach all den Jahren immer noch drauf, hervorragende Alben zu produzieren.
Alex
AGF- RADIO